Nach unserem starken Kaffee waren wir wach und gespannt, was uns erwartete. Wir hatten am Abend zuvor ein paar dicke Klamotten und die ganze Technik in unsere kleineren Rucksäcke gepackt und waren vorbereitet, als wir auf Kelly trafen, der meinte, wir sollen doch schon mal hochgehen, es wären schon viele da und würden Frühstück vorbereiten. Wir lernten die ersten paar aus der Truppe kennen, mit denen wir gemeinsam in die Dörfchen der Provinz Simbu fahren sollten. Die Frauen schmierten Butterbrote mit Mountain Honey und so quatschten wir mit Kelly und aßen und neben der Dokumentation der Lieferung wurde es hier noch ein Interview, das wir führen sollten und da noch ein Interview und die Informationen über all die involvierten Organisationen, dazu die vielen neuen Gesichter mit vielen neuen Namen, waren eine ganz schöne Reizüberflutung für uns.
Während wir fleißig redeten, wurde in der Werkstatt weiter gearbeitet. Trotz der durchgearbeiteten Nacht, waren sie nicht mit den Rähmen fertig geworden. Daher folgten noch ein paar Diskussionen darüber, wie man es mit der aktuellen Anzahl bewerkstelligen konnte und was das Ganze mit dem Preis macht. Etliche Diskussionen und Erklärungen zum Equipment später, wurden die Boxen mit und ohne Bienen verladen und wir machten und auf den Weg nach oben. Dort präsentierte einer der Jungs, der zur Truppe gehörte ganz stolz einen Kuskusbären, den er in Goroka auf dem Markt gekauft hatte und der nun mit Klebeband am Schwanz hilflos am Holzstab hing. Der Kuskusbär am Stock wurde kurzerhand in die Gitter der Frontscheibe geklemmt, während noch die restlichen Utensilien verladen wurden und dann konnte es losgehen.
Anders als erwartet, saßen wir nicht auf dem Truck, sondern nahmen mit den Köpfen der unterschiedlichen Organisationen im Auto Platz. Während Oli und Mota, die mit uns mitkamen, mit auf dem Truck schon mal losfuhren, stand uns eine weitere Stunde durch Goroka gurken bevor, denn irgendwas hatte wohl mit dem Check nicht funktioniert, den Kelly bekommen hatte. Also wurden noch Banken abgeklappert, eingekauft und dann ging es auch für uns auf den Weg.
Während wir aus Goroka raus fuhren, kamen wir mit den Herren im Auto ins Gespräch und erfuhren, dass wir sozusagen in unserem eigenen Auto fahren, wie sie es ausdrückten. Teile des Projekts waren von der deutschen Organisation „Brot für die Welt“ finanziert, die wohl auch das Auto und den Truck gestiftet hatten. Wir hatten durch die vergitterten Fenster leider wenig Blick auf die Natur, die draußen an uns vorbei zog und so lauschten wir den Geschichten von Paul, dem Kopf von CDA, der ansäßigen Organisation aus Gumine in Simbu. Er erzählte uns von früheren Bräuchen in den Stämmen, wenn geheiratet wurde. Der Mann musste zuerst mit der Familie der Frau über die Anzahl an Schweinen und Gemüse verhandeln, dann das versprochene Gut heranschaffen und im Anschluss wurde die Braut für die Hochzeit geschmückt und wurde zusammen mit den Tieren und dem Gemüse ins Dorf des Mannes gebracht, wo die Hochzeit gefeiert und gemeinsam von der Ablöse gegessen und getrunken wurde. Eine Hochzeit konnte wohl sowohl aus Liebe als auch aus einem Arrangement der Eltern mit einem befreundeten Elternpaar stattfinden. Auf jeden Fall wurde niemals innerhalb desselben Stammes geheiratet, denn alle Frauen die zum Stamm gehören wurden als Schwestern angesehen und alle Männer waren Brüder. Wir unterhielten uns auch viel über den Zusammenhalt eines Stammes und wie jeder mit allen teilt. Und auch darüber, wie verfeindete Stämme Krieg führen und durch diverse Abkommen irgendwann zu guten Freunden werden. Er erklärte uns darüber hinaus auch noch etwas ausführlicher, was es mit dem Projekt auf sich hatte, das wir dokumentieren. Die Bienenkästen und das Equipment sollten an 25 Farmer verteilt werden. Diese Farmer bauen hauptsächlich Kaffee an, was das eigentliche Projekt ist, um das sich Paul kümmert. Durch die Bienenzucht sollen zwei Dinge erreicht werden: ein zusätzliches Einkommen für die Farmer, die ihren Honig zurück an Kelly verkaufen konnten und zweitens sollten die Bienen zur Bestäubung der Blüten beitragen und damit den Kaffeeertrag steigern. Während wir so plauderten, ruckelte das Auto auf dem „Highway“ über den ersten Bergkamm und wir erfuhren auch, dass die Strecke, die Kelly mit ungefähr 2 Stunden angekündigt hatte, eher so 4-5 Stunden dauern sollte. Unterwegs machten wir Halt an der Straße, wo es ein paar Stände gab, an denen Essen verkauft wurde. Wir bekamen ganze frittierte Bananen und Teigbällchen zum Essen, die unglaublich lecker waren.
Als wir in der nächsten größeren Stadt Kundiawa ankamen, trafen wir wieder auf den Truck, der wohl kurz vor uns angekommen war. Wir trafen damit auch wieder auf Oli und Mota, denen alles von der ruckeligen Fahrt auf der Holzbank im Truck schmerzte. Uns taten die beiden furchtbar leid, denn sie hatten diese anstrengende Fahrt auf sich nehmen müssen, ohne die Nacht zuvor ein Auge zugemacht zu haben, um die ganze Arbeit fertig zu bekommen. Während Oli auf dem Truck okay war, fragten wir nach, ob Mota die restliche Strecke bei uns im Auto mitfahren konnte und es wurde zugesagt.
Wir trafen aber nicht nur die beiden wieder, sondern auch Marie, die Frau von einem der Köpfe der Organisationen, mit der sich Sabrina lange unterhielt. Sie leitete diverse Projekte, bei denen es darum ging, Frauen zu einem eigenständigen Leben zu verhelfen. Dazu gehörte auch die Betreuung von Frauen, deren Männern Alkoholiker waren. Wir hatten bereits von Paul erfahren, dass der Alkohol in PNG ein hohes Suchtpotential darstellte. Es wurde nicht aus Genuss getrunken, sondern bis zum Umfallen und Vergessen. Marie half dabei, diesen Frauen Stärke zu vermitteln und brachte ihnen bei, wie man Karten spielt, damit die Frauen des Stammes sich zusammen tun konnten und soweit möglich, ihr eigenes Leben führen. Sie brachte ihnen aber auch bei, wie sie Geld verdienen konnten und wie sie richtig damit umgehen sollten, um langfristig etwas davon zu haben. Marie setzte sich für die restliche Fahrt neben Sabrina und schon bald wurde Sabrina als Freundin bezeichnet.
Nach einer weiteren Ewigkeit ruckeliger Fahrt bergauf und bergab, war es soweit und wir machten den ersten Stopp, um dem Farmer, der bereits am Straßenrand wartete, seine Boxen zu übergeben. Die Übergabe war nicht nur für den Farmer, sondern für das ganze Dorf interessant und so waren wir bald umgeben von einer Traube an Menschen. Jung und Alt, Frauen sowie Männer scharrten sich um uns, um zu schauen, was da passierte. Bienenzucht war für alle hier ein absolutes Neuland. Lediglich die 25 Farmer hatten wohl ein paar Wochen zuvor von Kelly eine 5-tägige Schulung zur Bienenzucht erhalten und alles notwendige gelernt. Während Tom die Aufnahmen im Gewusel übernahm, lernte Sabrina mit Marie an ihrer Seite die Frauen aus dem Dorf kennen, die alle mit einem freundlichen Lächeln auf sie zukamen. Es war unheimlich spannend, die vielen Gesichter zu sehen, manche Frauen waren im Gesicht mit Punkten tätowiert, andere trugen farbenfrohe Kopftücher, wieder andere einfach Jeans und Kapuzenpulli und ein Kind auf dem Rücken. Umzingelt von all den Menschen, fühlten wir uns trotzdem zu jeder Zeit absolut wohl. Es waren zwar erneut viele Eindrücke und jeder, der ein bisschen Englisch sprechen konnte, wollte sich mit uns unterhalten, aber man begegnete uns mit solcher Offenherzigkeit und Freundlichkeit, dass wir völlig überwältigt waren.
Nach der ersten Auslieferung ging es weiter und das ganze Prozedere sollte sich noch ein paar Mal wiederholen, sogar in der Dämmerung hielten wir noch ein paar Mal an, um Bienenkästen vom Truck zu laden und sie mit einer kurzen Einweisung zu übergeben. Als es stockdunkel war, wurde beschlossen, dass die restlichen Kästen am kommenden Tag übergeben werden sollten, denn die Truppe wurde müde. Sie waren an diesem Tag bereits um 5 Uhr morgens gestartet und den ganzen Weg bereits nach Goroka und nun wieder zurück gefahren und auch mir und Tom ging langsam die Puste aus und wir hatten bestimmt schon stundenweise Videomaterial gedreht und mindestens 1000 Bilder gemacht.
Als wir auf dem Weg waren, lies uns Paul irgendwann wissen, dass Kelly das Begleiten und die Übernachtung von uns beiden wohl nicht richtig kommuniziert hatte. Das Center, in dem wir laut Kelly schlafen sollten, wäre wohl voll mit Teilnehmern, die dort ein Seminar machen und er müsse uns in eine Unterkunft bringen, für die wir bezahlen müssten. Darauf waren wir nicht vorbereitet, denn wir hatten nur Geld für etwas Essen und den Bus für die Rückfahrt dabei. Abgesehen davon, wollten wir nicht erneut 40€ für eine Unterkunft ausgeben, denn so war das nicht abgesprochen gewesen. Als wir Paul das wissen ließen, klappte es dann auf einmal doch, mit im Center zu schlafen, wo wir nach etwa 7 Stunden Fahrt endlich spätabends ankamen.
Sabrina durfte bei den Frauen schlafen, während Tom bei den Männern untergebracht wurde. Und solange Tom und die anderen sich einen amerikanischen Kampffilm anschauten und schwiegen, wurde im Frauenzimmer ordentlich diskutiert und getratscht. Sabrina lernte Linda kennen, eine ältere Dame, die bereits Kelly augenscheinlich erfolgreich in einem Seminar beigebracht hatte, wie man ein Business führt und Rose, die ihre eigene Privatschule in Goroka eröffnet hatte und Linda assistierte. Zwei unglaublich starke Frauen, die beschlossen hatten nicht mehr weiterhin auf die Unterstützung ihrer egoistischen und korrupten Regierung zu hoffen, sondern ihr Leben und die Zukunft ihrer Community selbst in die Hand zu nehmen. Nach vielen beantworteten Fragen zu uns und was uns nach PNG bringt und zu der Situation der Frauenrechte in PNG, schliefen die Frauen auf ihrem Matratzenlager schnell ein, was auch die Männer nach ihrem Film taten. Der Stromgenerator ging es aus, es war still und stockdunkel und wir beide schliefen wie ein Stein.
Am kommenden Morgen herrschte draußen nach einem lauten Gong schon reges Treiben. Die einzige Dusche und Toilette vor Ort war gut besucht und der Vorplatz des Centers voller Farmer, die ihre Bienenboxen abholen wollten und Kursteilnehmern, die aus der Nähe waren und nicht im Center übernachtet hatten. Wir standen mitten im Getümmel und versuchten herauszufinden, wen wir nun wie und wo interviewen sollten und wann und wie es für uns wieder zurück nach Goroka gehen sollte. Es war wie immer alles unklar und wurde erstmal 2 Stunden beredet, bis wir Paul auf die Bank mit schönem Hintergrund setzten, ihm die Kamera vor das Gesicht stellten und ihn erzählen ließen. Keine optimalen Bedingungen, weil von der Straße her Leute redeten und die quietschende Klotür nebenan ständig auf und zu ging, aber besser sollte es nicht werden. Nach 3 Takes, hatten wir das Interview im Kasten und die Verteilung der Kisten konnte losgehen.
Auch das dauerte erneut eine halbe Ewigkeit und irgendwann war dann klar, dass wir mit dem Truck mitfahren würden, der noch ein paar Auslieferungen zu erledigen hatte und dann nach Kundiawa zurückkehren würde, von wo aus wir einen Bus zurück nach Goroka nehmen konnten. Kurz bevor wir in den Truck stiegen, kam Marie nochmal vorbei, denn sie wollte ihrer Freundin Sabrina ein Andenken mitgeben: eine gestrickte Tasche, was hier „Bilum“ genannt wird. Sabrina freute sich so sehr, dass sie mit den Tränen zu kämpfen hatte, als sie Marie zum Abschied nochmal drückte und in den Truck stieg.
Wir durften vorne Platz nehmen, weil man uns wohl die Holzbank hinten nicht zumuten wollte. Da saßen wir also neben dem Fahrer, der als Jacke einen Bademantel trug und uns auf den schmalen Sträßchen über die Berge fuhr. Vorne am Rückspiegel wackelte ein kleiner ausgestopfter Vogel, dem der Kopf fehlte vor sich hin und uns wurde beim Tageslicht schnell bewusst, dass wir mitten in den Bergen waren, denn die Straßen waren ziemlich steil, größtenteils nicht geteert und führten an Klippen entlang ohne jegliche Absperrung. Gut, dass der Herr im Bademantel wusste, was er tat. Wir fuhren zuerst noch weiter ins Hinterland und belieferten die abgelegensten Dörfchen, bevor es zurück in die Stadt ging.
Während wir Oli Tschüß sagten, der von hier aus in eine andere Provinz fuhr um Bienen zu checken, die bereits eine Weile dort gezüchtet wurden, kauften Mota und wir im Supermarkt noch Cola und Kekse als Wegzehrung, setzten uns in den nächsten Bus, aus dem „GorokaGorokaGorka“ gerufen wurde und als der Bus voll war und die Fahrt endlich losging, hatten wir bereits alles leer gegessen und getrunken. Auf der Busfahrt sahen wir noch mehr von der wunderschönen Landschaft draußen als vorher durch die Gitter des Trucks und die schönen Wasserfälle, Flüsse, Bäume und grasgesäumte Bergkämme waren der einzige Grund, dass uns die Augen unterwegs nicht einfach zufielen.
Wir hatten Glück und der Busfahrer hatte einen ziemlich guten Musikgeschmack. Neben alten amerikanischen Klassikern, mischte sich hin und wieder ein einheimisches Lied und auch diese Lieder mit ihren Trommeln erweckten bei uns erneut den Eindruck in Afrika zu sein. Angekommen in Goroka, war deutlich zu spüren, dass wir dem Goroka-Festival immer näher kamen. Die Straßen waren voller Menschen, in der Luft lag Fett vom frittierten Essen der Marktstände, wozu sich der Geruch von Bier und Urin mischte. So wie ein Festival eben riecht.
Als wir in unserem Hüttchen ankamen, ging es noch kurz für uns beide unter die Dschungel-Dusche und dann lagen wir um 18 Uhr im Bett. Wir waren schon lange nicht mehr so erschöpft gewesen. Während wir einem Hörbuch lauschten, was wir zum Einschlafen eigentlich immer tun, mischten sich irgendwann Trommelgeräusche und Gesänge dazu. Ja, Kelly hatte irgendwas davon erzählt, dass er einen Stamm übers Goroka-Festival beherberge. Auch wenn wir vor Neugier fast platzten und ihnen gerne Gesellschaft geleistet hätten, waren wir einfach viel zu kaputt, um nochmal aufzustehen. Wir hatten 12 der vergangenen 24 Stunden auf schlechten Straßen und im Staub verbracht und waren schließlich mehr unterwegs gewesen, als dass wir irgendwo angekommen waren – wenn wir das gewusst hätten…
Wenn ihr mit uns um kurz vor 6 aufstehen und hautnah dabei sein wollt, wenn wir einen Stamm bei den Vorbereitungen für die Goroka Show begleiten, dann geht’s hier weiter.
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