Was haben wir nicht alles gelesen und gehört, über die große gefährliche Hauptstadt. Sogar von Deutschland erreichten uns Nachrichten mit „seid ja vorsichtig“. Und ja, es gibt sie, die gefährlichen Geschichten, aber wisst ihr was? Uns ist gar nichts davon passiert und wir haben uns auch zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Weise unwohl gefühlt. Vielleicht ein bisschen als wir eines morgens zur Rushhour in einer völlig überfüllten U-Bahn standen – aber ganz ehrlich, das fanden wir auch in Berlin scheiße.
Ziemlich scheiße fanden wir übrigens auch unsere Airbnb in Mexico-City. Es hatte sich mal wieder gezeigt, dass man nur ein Auge beim Knipsen haben muss und auf einmal sieht auch eine Garage schick aus. Ja, ihr habt richtig gelesen, es war wirklich eine Garage. Sie war zu einer „Wohnung“ umgebaut worden, hatte bis auf einen schmalen Schlitz mit Gittern davor in der Türe kein Licht und ein winzig kleines Badezimmer mit einem so schmalen Waschbecken, dass die halbe Hand beim Waschen drüber stand und man das Badezimmer dabei flutete. Die absolute Krönung war aber sicherlich das Bett, bzw. der schmale Schlitz, der als zweite Ebene über das Badezimmer montiert worden war. Auf einer steilen Holztreppe, deren Verankerungen schon herausgerissen waren, gelangte man nach oben und konnte sich dort mehr oder weniger nur gebückt auf den Knien robbend auf das Bett legen. Besser, wenn man morgens also erstmal ein bisschen liegen blieb, um richtig wach zu werden, bevor man sich ordentlich den Kopf anhaut. Der Preis dafür war übrigens auch mehr als unverschämt.
Diese Garage befand sich im Bezirk „Roma“, der an den Bezirk „Condesa“ angrenzt. Wenn wir hier durch die Straßen gelaufen sind, erinnerte es an Kreuzberg und Mitte und so gar nicht an Mord und Totschlag. Schicke kleine Cafés, Restaurants mit Küchen aus aller Welt, noble Häuser und Boutiquen, gepflegte Parks, in denen die unzähligen Trainer einem Rudel Hunde Manieren beibrachten. Es war ehrlich gesagt schon fast langweilig hier.
Auch der Versuch hier Street Art zu finden scheiterte. Während man hier und da von tollem Streetart in den beiden Bezirken gelesen hatte, stellte man enttäuscht fest, dass die Kunstwerke wohl einer neuen Fassade oder gar einem neuen Haus gewichen waren. Da das hier also nichts wurde, entschieden wir uns, im Zentrum (Bezirk Centro) auf die Suche zu gehen und wurden bei einem Spaziergang rund um die Universität fündig.
STREET ART
Die Atmosphäre hier rund um die Uni war auf jeden Fall auch mehr unser Ding. Kleine Bars, die etwas abgerockt waren, Streetfood-Stände statt schicker Restaurants und spannende Menschen auf den Straßen, die viel Liberalität versprühten. Hier wurden wir mit einem Lächeln und Knopfnicken gegrüßt und nicht von einer Bedienung auf der Straße angequatscht, die uns herzlos das Menü herunter betete, ohne uns einmal anzuschauen. Und die Streetart erst, das war der Hammer! So viele unglaublich gute Murals haben wir selten gesehen. An fast jeder Ecke gab es hier etwas zu entdecken und wir hatten Mühe, die Finger vom Auslöser zu lassen.
Darum gibt es hier auch noch mehr in der Slideshow:
DAS HISTORISCHE ZENTRUM
Im Zentrum gab es außer Streetart natürlich auch noch mehr zu entdecken und so verbrachten wir einen weiteren halben Tag damit, durch den historischen Abschnitt der Stadt zu spazieren. Unser erster Stopp war der Palacio de Bellas Artes (Palast der schönen Künste).
Danach haben wir durch Zufall auch noch den „Palacio de Correos de Mexico“ (Postamt)
entdeckt. Von draußen fanden wir das Gebäude ziemlich unscheinbar, bei einem Blick durch die Tür im Vorübergehen wurden wir neugierig, streckten mal die Köpfe durch die Tür und wurden prompt vom Wachmann an der Tür freundlich reingebeten. Ein ziemlich schöner Ort voller unterschiedlicher Bauweisen und Elementen – Jugendstil, spanischer Roccoco, Neoklassizismus, Barock, Gotik und Art Deko unter einem Dach – wirklich toll anzuschauen.
Als wir das Postamt wieder verließen, entdeckte Sabrina auf der gegenüberliegenden Straßenseite noch mehr spannendes Streetart. Als wir dort ankamen, mussten wir uns etwas durch Straßenarbeiten schlängeln und mit ordentlich Wind dazu hat Sabrina erstmal ein fieses kleines Stückchen Dreck mit dem Auge eingefangen, das einfach nicht mehr raus wollte. Irgendwann machten wir uns auf zur nächsten Apotheke in der Nähe und erklärten mit ein paar Worten Spanisch, Windgeräuschen und Händefuchteln, was passiert war. Die Damen hinterm Schalter wollten uns zum Arzt schicken, wir beharrten auf einen Versuch mit ein paar Augentropfen. Auch das wollte anfangs nicht so recht funktionieren und auch nach dem 5. Spülgang blieb das fiese Körnchen im Auge kleben. Sabrina lies also erstmal das Auge zu und wir machten mit unserer Sightseeing Tour weiter und knipsten nochmal in Ruhe die tolle Streetart.
Irgendwann als wir dann durch die Fußgängerzone spazierten und uns kurz vor dem Regen an einem Hauseingang schützten, hatte sich das fiese Anhängsel dann auch von alleine wieder aus dem Staub gemacht. Ein paar Schritte nach der Fußgängerzone standen wir dann auch am zentralen Platz von Mexico City und Tom stellte enttäuscht fest, dass die riesengroße mexikanische Flagge, die hier normalerweise wehte, nicht mal am Mast hing. Der Himmel war zudem wolkenbehangen und dunkel und irgendwie machte das so keinen Spaß mehr. Wir beschlossen die Tour durch die Altstadt etwas abzukürzen und uns statt dessen wieder auf den Weg zurück zu machen, denn wir wollten mal noch ein Restaurant testen, das uns unser Host empfohlen hatte (das war dann auch das einzig Gute, dass die Airbnb mit sich gebracht hatte).
ESSEN
Als wir ins „Comedor de los Milagros“, dem empfohlenen Restaurant ankamen, gefiel uns die Atmosphäre auf Anhieb. In einer großen Halle findet man in mehreren kleinen Ständen am Rand eine riesen Auswahl an kulinarischen Köstlichkeiten aus vielen lateinamerikanischen Ländern. Die Halle war darüber hinaus voller toller Kunst und mit viel Liebe eingerichtet und dekoriert. Bei der großen Auswahl fiel uns die Entscheidung wirklich schwer, daher sortierten wir erstmal alle Länder aus, die wir bei unserer Reise noch auf dem Plan hatten, denn das würden wir ja noch vor Ort probieren können. Dann schauten wir, was der mexikanischen Küche am unähnlichsten war (denn die hatten wir ja schon seit einer ganzen Weile und eine Abwechslung war sehr willkommen) und zack landeten wir bei der venezolanische Küche, denn die Gerichte sahen auch noch richtig lecker aus. Wir bestellten„Arepas“ und genossen es, denn es war sehr sehr lecker.
In diesem Stil sind wir übrigens relativ wenig Essen gegangen, denn nicht nur Unterkünfte, sondern auch Restaurants in Mexico-City hatten es preislich in sich. Am liebsten gingen wir also dorthin, wo man nicht Touristen, sondern Mexikaner traf: bei kleinen Straßenständen (dort wo die Leute Schlange stehen, kann man unbesorgt essen, haben wir mal gelesen) oder in kleinen Imbissen. Einer davon war nicht weit weg von unserer Unterkunft entfernt und machte unheimlich gute Tortas, dazu gab es eine frische Horchata und wir waren für wenig Geld satt und glücklich.
FRIDA KAHLO UND DAS BLAUE HAUS
Apropos glücklich: so lässt sich Sabrinas Zustand beschreiben, als sie endlich vor dem „Casa Azul“ stand, dem Haus, in dem Frida Kahlo mit ihrem Mann Diego Rivera gelebt hatte. Falls jemandem Frida Kahlo nun so gar nichts sagt, der kennt vielleicht die Dame mit den durchgezogen Augenbrauen und ja genau, das ist besagte Dame. Eine ziemlich starke Frau, die für ihre Zeit sehr viel bewegt hat und sich weder von der Kinderlähmung noch von einem Busunfall hat unterkriegen lassen, bei dem eine Stange ihr Becken durchbohrt hatte. Ihr Leben war bestimmt von der Unfreiheit, denn sie musste viel Zeit im Bett verbringen, gefangen in einem Ganzkörpergips und Stahlkorsett. In diesem Zustand sind viele ihrer Selbstportraits entstanden, die sie mithilfe eines Spiegels malte, der an der Decke ihres Bettes angebracht worden war.
In ihren weiteren Werken verarbeitete sie ihr bewegtes Leben, von ihrer Krankheit bis zur Untreue ihres Mannes zeigen die Bilder sehr viel Leid, gepaart mit einer ordentlichen Portion Patriotismus und Revolution. Völlig unüblich für diese Zeit, trug Frida darüber hinaus gerne die traditionelle Tracht, steckte die Haare hoch, wie die Frauen aus Oaxaca, einer Region in Mexico, und betonte damit ihre indigenen Wurzeln – womit sie sich gegen den Rassismus stellte, der die Schichten der mexikanischen Gesellschaft bildete.
Auch heute zählt Frida Kahlo als bedeutendste Künstlerin im Südamerikanischen Raum und taucht als starke Frau immer wieder im Kampf um Gleichberechtigung in Mexiko als Symbol auf. Auch wenn man mit ihrer Kunst vielleicht nicht viel anfangen kann, so ist ihre Persönlichkeit unheimlich spannend und wir möchten euch den Film „Frida“ ans Herz legen (von 2002).
Im Casa Azul herrschte eine tolle Atmosphäre, überall mischte sich zum intensiven Blau der Außenfassade das saftige Grün der Pflanzen im Garten. Die erste Stunde war es auch noch recht leer, denn wir waren bereits vor der Öffnungszeit morgens da, weil wir ohne mexikanische Kreditkarte keine Tickets im Voraus kaufen konnten (haben in der Schlange am Eingang dann aber von einem den Tipp bekommen, dass man einfach mit der normalen Bankkarte bezahlen kann). Das Museum ist nicht groß und daher waren wir nach etwa 2 Stunden durch. Tom, der ursprünglich gar nicht mit rein wollte, sich dann aber doch anstecken lies, chillte die zweite Stunde im wunderschönen Garten, während Sabrina sich alles etwas genauer anschaute und Bilder machte. Im Garten ließ es sich aber auch echt gut aushalten.
TEOTIHUACÁN
Nachdem Sabrina ihren Ausflug zum Frida Kahlo Museum machen konnte, war am letzten Tag unseres Aufenthalts in Mexico-City Toms Ausflug dran. Es wollte sich die prähistorische Ruinenstadt „Teotihuacán“ anschauen, die etwas außerhalb von Mexico-City liegt. Man kann von Mexico-City aus Touren buchen, aber wir entschieden uns dazu, es auf eigene Faust zu erkunden und standen daher um halb 8 Uhr morgens in einer vollgestopften U-Bahn, die wir am Anfang ja bereits erwähnt haben. Mit einmal umsteigen ging es zum zentralen Busbahnhof und von dort fanden wir den lokalen Bus, der uns zur Ruinenstadt bringen sollte. Wir kamen pünktlich um 9 Uhr und damit zur Öffnung an und blickten die staubige Straße entlang, die direkt auf das Hauptgebäude, die Sonnenpyramide zuläuft.
Da die Sonne noch einigermaßen gütig war, beschlossen wir den Aufstieg auf die mit 63 Metern immerhin drittgrößte Pyramide der Welt, sofort in Angriff zu nehmen. Wir kamen schon ordentlich ins Schwitzen und gönnten uns von oben erstmal die Aussicht auf das Gelände.
Schon ziemlich beeindruckend, was da vor tausenden von Jahren geschaffen wurde. Die Stadt war einst von rund 200.000 Menschen bevölkert und zwischen 100 und 650 nach Christus das dominierende kulturelle, wirtschaftliche und militärische Zentrum Mesoamerikas (dazu zählen heute die Staaten Mexiko, Belize, Guatemala, El Salvador, Honduras, Nicaragua und Costa Rica). Die einst mit Abstand größte Stadt auf dem amerikanischen Kontinent und eine der größten der Welt – alle Achtung! Man kann nicht sagen, was zum Untergang der Stadt geführt hat, aber als die Azteken ankamen, fanden sie eine seit Jahrhunderten verlassene Ruinenstadt vor. Die Azteken waren es, die dem Ort den heutigen Namen gaben, der so viel bedeutet wie „Wo man zu einem Gott wird“.
Sie sahen ihn als mystischen Ort an und bauten die Sonnenpyramide als zentrales Element. Es wird vermutet, dass die Pyramide der Fruchtbarkeitsgöttin gewidmet war, da es mehrere Abbildung der Göttin in der in der Pyramide liegenden Höhle gibt (die man aber nicht betreten kann). Von der Sonnenpyramide aus, hat man übrigens auch eine herrliche Aussicht auf die Mondpyramide, die man hier im Hintergrund sieht.
Nachdem wir also den Abstieg von der Sonnenpyramide geschafft hatten, schlenderten wir den langen Weg entlang, der links und rechts mit kleineren Pyramiden gesäumt war und machten erneut eine kleine Pause. Während Sabrina auf dem Dach sitzen blieb, schaffte Tom noch den Aufstieg auf die Mondpyramide.
Zum Abschluss schauten wir uns noch ein paar original erhaltene Fresken und Malereien an und machten uns gegen 12 Uhr, als es wirklich unerträglich heiß wurde, wieder auf den Weg zurück nach Mexico-City, wo wir einen letzten längeren Spaziergang von der U-Bahn-Station durch die Viertel Condesa und Roma machten und den Abend ruhig ausklingen ließen. Wir hatten am kommenden Morgen einen frühen Bus, der uns nach Oaxaca bringen sollte.
Abschließend müssen wir leider gestehen, dass uns Mexico-City nicht besonders gefallen hat. Das kann daran liegen, dass wir mittlerweile jedes Dörfchen, sei es im Gebirge oder am Meer einer Stadt vorziehen würden, oder einfach daran, das wir die Atmosphäre vermisst haben. Bangkok, Singapur oder auch europäische Städte wie Lissabon, Prag, Budapest und Paris haben einfach einen besonderen Charme, den wir in Mexico-City total vermisst haben.
Wir waren daher sehr gespannt, was die nächste kleine Stadt, Oaxaca zu bieten hat. Dort haben wir uns übrigens auch zum ersten Mal in Mexiko ein Mietauto genommen, um mal auf eigene Faust die Gegend erkunden zu können. Im kommenden Artikel nehmen wir euch mit.
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